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Möglichkeiten und Risiken für (alternative) Bands

17 Mai

Möglichkeiten und Risiken für (alternative) Bands, Musiker und Musikerinnen im digitalen Zeitalter. (veröffentlicht in Contraste Mai2008)

Dieser Artikel ist in Contraste- Zeitung für Selbstverwaltung erschienen, falls ihr Kritik oder Anregungen habt, benutzt den „Leave a comment“ Button am Ende des Artikels!

Einleitung
Wie gegenüber allen neuen Technologien zersträuben sich Musik-Szenen und politische Strukturen über das Web 2.0, die Digitalisierung von Musik und das illegale Downloading die Haare. Eine abgeneigte bis feindliche Haltung gegenüber neuen Technologie ist gerade in links-alternativen Szenen ein Normalfall. Fortschrittsfeindlichkeit und der Fakt das Technologie in den falschen Händen für die falschen Mittel benutzt wird, sind u.a. Gründe dafür. Auf der Kehrseite jedoch ergeben sich durch diese Technologien und neue Medien noch nie dagewesene Möglichkeiten, so unabhängig und weltweit Musik (mit oder ohne politischen Aussagen) zu verbreiten und zu Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Die “old-school” Musik-Industrie und ihre Mythen
Um diese neuen Möglichkeiten für MusikerInnen zu verstehen, sollte man ein bisschen über die Mythen und Strukturen der Musik-Industrie wissen.
‚Musik-Industrie‘ wird fälschlicherweise noch oft mit der Schalllatten/CD – Industrie gleichgesetzt. Der Handel mit physikalischen Tonträgern war lange Zeit ein gut laufendes, millionenschweres Geschäft und dieser eine Zweig der Musik-Industrie spielte in dieser eine dominante Rolle.

Bands bekamen sechsstellige Vorschüsse und es wurden Millionen für Werbung, Radio-Airplay sowie für Touren ausgegeben- alles vorfinanziert von den Labels, die als die großen Verdiener der Musik-Industrie vor dem Web-Zeitalter zu sehen sind.

Was viele nicht wissen- alle diese Kosten für die Promotion und der Vorschuss den die Band bekommt, muss von der Band durch ihre magere Prozentbeteiligung an den CD Verkäufen beglichen werden, bevor sie einen Cent von den CD Verkäufen sieht. Es gibt grade mal nur um die 8% an Künstlern und Bands, die einen Break-Even, also plus-minus-null durch physikalische Tonträger innerhalb solcher Deals erziehlen.

‚There is no money in records‘ für KünstlerInnen
Die Einnahmequellen für KünstlerInnen je nach Genre, Größe und Geschäfts- Konzept lagen und liegen eher in anderen Bereichen wie Merchandise, Konzertgagen, Gema-Abgaben oder das lizensieren der Musik an Film und Fernsehen. Gerade diese Bereiche der Musikindustrie sind am wachsen und profitieren von den neuen Formen und dem Anstieg des Musik-Konsums: Handys, PCs, Spielkonsolen usw. – alles kann heutzutage zum Musik hören benutzt werden und – es war noch nie so leicht sich Musik zu besorgen – so günstig, so viel und so schnell.

‚Piracy kills the music business‘ – das schadet nicht unbedingt den KünstlerInnen

Die sogenannte private “Piraterie”, also das illegale Downloaden und Tauschen im Internet von Musik, wird von der Plattenindustrie für das Zurückgehen der Verkaufszahlen von CDs verantwortlich gemacht. Es wird gerne der moralische Zeigefinger herausgeholt und behauptet das diese Forms des Musik-Konsums KünstlerInnen schadet, was jedoch konkret nur für einen kleinen Teil stimmt.

Eine Studie behauptete jüngst, das es keine direkten Beweise dafür gebe, dass das Benutzen von illegalen Tauschbörsen die Abnahme der CD Verkaufszahlen verursacht, es sei eher anzunehmen das das Gegenteil der Fall sei:
Viele Menschen nutzen das illegale Downloaden als Vorhörfunktion und wenn die Musik gefällt, kaufen Sie sich dann den Tonträger der Band – so die Studie.
(Link – http://strategis.ic.gc.ca/epic/site/ippd-dppi.nsf/en/h_ip01456e.html)

Das Aufbrechen der alten Konsumstrukturen
Egal wie man sich den Abfall der Verkaufszahlen von CDs erklärt, muß man der Realität des ‚freien‘ Musikkonsums in die Augen blicken- während eines Vortrags, den ich an einem englischen Music-College hielt, fragte ich die Anwesenden StudenInnen, wer alles einen MP3 Player hat, was alle mit Ja beantworteten. Als ich dann fragte wer schon öfters als einmal Musik online gekauft hätte blieb noch eine von den ca.20 Händen oben, und das waren alles selbst MusikerInnen im Alter von 17-20.

Durch die Digitalisierung von Musik und durch das Internet haben sich die Konsum-Gewohnheiten von Musik radikal verändert. Das Entdecken von neuer Musik findet heutzutage eher auf Myspace als durch MTV statt, dadurch also weniger zentral. Einzelne Lieder werden zu individuellen Playlisten zusammengestellt anstatt sich ein ganzes Album anzuhören. iPods, MP3-Player und Handys machen es möglich meine ganze Musiksammlung oder eine Lieblingsauswahl davon rund um die Uhr bei mir zu haben und zu hören.

Musikjournalismus 2.0 = digitalisierter ‚musikalischer‘ Freundesreis?

Immer schon war der Freundeskreis ein wichtiger Faktor für Musikeinflüsse, heutzutage gibt es diesen, nennen wir es mal ‚musikalischen Freundeskreis‘, in den unterschiedlichsten digitalisierten Formen.

Ein Beispiel dafür ist Last.fm, auf der Homepage Last.fm werden Hör-Empfehlungen von den Benutzern und von der Program-Software generiert, so daß man sehr einfach ähnliche klingende Bands zu denen die man schon kennt und mag findet. Man hat sogar die Möglichkeit, Fans einer Band direkt zu kontaktieren oder auch in deren persönlichen Playlisten nach neuer Musik zu stöbern.

Zusätzlich zu den Print-Musik-Magazinen gibt es viele kleine Online-Foren und Homepages von MusikliebhaberInnen, die Musiktipps geben, Reviews schreiben oder Interviews machen, sozusagen Nischen-Szenen, die aber für jeden und jede mit Internetanschluss offen sind.

Direkte Verkaufs und Kommunikations-Wege
Hier kommen auch die KünstlerInnen selber ins Spiel, einen deutlichen Unterschied macht das Internet-Zeitalter, wenn es um Kommunikation und Verkäufe geht. Bands und KünstlerInnen sind nicht mehr auf ZwischenhänderInnen, also z.B. physikalische Vertriebe und CD-Läden angewiesen. Ein Link von der Last.fm Homepage in den eigenen Internet-Shop und die bandeigenen CDs können direkt von dort in (fast) alle Welt verkauft und verschickt werden. Lästige Endpreiserhöhungen durch Zwischenhändler fallen weg, und falls man trotzdem auch im Regal des coolen indy-Plattenladen stehen möchte (wenn es den noch gibt!), schließt sich das durch den direkten Verkauf über die eigene Homepage ja nicht aus.

Das direkte Kommunizieren und Werben für die eigene Band ist auch durch Mailinglisten, Myspace Account und so weiter kinderleicht geworden. Gerade hier liegt die Möglichkeit für (politische) KünstlerInnen ihre Message rüberzukriegen und ihre Fans oder Interessierte über neues auf dem laufendem zu halten, und das ohne musikalische,künstlerische oder politisch Abstriche machen zu müssen.

Homerecording und die Veränderungen in der Produktion
Ein entscheidener Faktor ist, das eigentlich jedeR mit einem PC, einem Mikrofon und
der entsprechenden Software eine digitale Aufnahme produzieren kann, also mit einem Budget um die 300 Euro. Diese Aufnahmen sind natürlich qualitativ nicht so gut wie professionelle Aufnahmen in einem Studio mit einem erfahrenen Tontechniker, jedoch gibt es viele potenziell interessierte Menschen, die nicht nur den sehr teurer produzierten und radiotauglichen Sound als Kriterium für ihren Geschmack haben. So gibt es einige Beispiele von viel verkauften Singles und Alben, die per ‚homerecording‘ produziert wurden und unendliche Beispiele im Netz von Bands, die auch gerade wegen ihrem trashigem Sound eine große Nischen-Community haben.

Die politische Disskussion um Musik und Urheberecht
Ganz anders wird das Thema Urheberecht nochmal von Initativen aufgegriffen, die meinen
Musik sei ein kulturelles gesellschaftliches Gut und sollte frei und umsonst zugänglich sein.Die Entlöhnung von KünstlerInnen sei somit Allgemeinwohl das gesamtgesellschaftlich gelöst werden müßte. Eine dieser Initiativen ,die schwedische “Piraten Partei”, koppelt daran auch die Disskussion über das Urheberecht an, welches KünstlerInnen wie KonsumentInnen im digitalen Zeitalter nur noch sehr bedingt gerecht wird. Die Partei wirft der schwedischen Regierung vor 20% (geschätzte Anzahl der NutzerInnen von Internet-Tauschbörsen) der Bevölkerung zu kriminalisieren und strebt eine Beschränkung des Urheberechts an.

Eine andere Initative, gennant Creative Commons (CC), entwickelte bereits eine alternative Lizenz, die kostenlos für jeglichen digitalen Content auf der CC-Homepage erworben werden kann. Der Vorteil dieser Lizenz ist, das jedeR individuell bestimmen kann inwieweit kommerzielle Nutzung, Veränderungen und Atribute erwünscht oder unerwünscht sind.

Marktwirtschaftliches Umdenken
Der ‚freie‘ Musikkonsums schaft immenses Einkommen und Verkaufszahlen an anderen Ecken und Enden und wird dazu führen das Musik ganz legal ‚umsonst‘ zu kriegen sein wird, und z.B. so wie Radio durch Werbung finanziert werden kann.

Viele und auch gerade kleine KünstlerInnen sehen dem mit Angst entgegen, obwohl sie selbst in den Genuß der sogenannten Piraterie zumindest ab und an kommen. Es ist ein Umdenken nötig um zu verstehen das dies aber eher eine finanzielle Perspektive durch ihre Musik eröffnet, zumindest eine bessere als bisher.

Ganz marktwirtschaftlich muss sich eine Band fragen, was sie denn durch LP, CD oder digitale Verkäufe erwirtschaftet hat und perspektivisch erwirtschaften wird. Aus eigener Erfahrung weiß ich das viele Bands gerade in den alternativen (linken) Szenen meistens froh sein können, wenn sie ihre Ausgaben für eine CD Produktionen wieder reinbekommen.

Neue Business-Konzepte
Mehr Besucherzahlen auf Konzerten, also das expandieren des Bekanntheitsgrades ist sicherlich eine bessere Strategie und eine bessere Einahmequelle. Umzusetzen mit verschiedenen Möglichkeiten, z.B. das dem Konsumverhalten angemessene zur Verfügungstellen der Musik ‚for free‘ wird mehr Leute an die Band führen und Aufmerksamkeit kreeiren.

Wenn man dies noch mit dem Eröffnen eines direkten Kommunikation-Kanals verbindet, hat man auf jeden Fall mehr gewonnen, als wenn sich der Interessierte die Musik von der Freundin brennt – um dies zu erklären, ein praktisches Beispiel:

Eine Band XY bietet ihre Musik umsonst auf ihrer Homepage zum downloaden an, als Gegenleistung fragt sie nach der Emailadresse des Downloaders um ihn über Konzerttermine und neues Bandmerchandise informieren zu können.
Zusätzlich richtet die Band auf ihrer Homepage die Möglichkeit ein, Spenden zu übermitteln, man kann somit selbst bestimmen ob und wieviel die Musik einem Wert ist. Die Musik erreicht dadurch mehr Menschen, z.B. die, denen ein Festgesetzer Preis von 10 Euro zu hoch gewesen wäre, was ja nicht heißt, das sie prinzipiell kein Interesse an der Musik, der Band und vielleicht auch einem Band-Shirt haben.

Risiken und negative Erscheinungen für linke KünstlerInnen in subkulturellen Bereichen

Marktwirtschaftlichkes Denken Vs. Romantisches Nischen-Dasein
Wenn Musik mehr zu einem Service wird, entsteht die Möglichkeit, das die KünstlerInnen ein anderes Produkt verkaufen werden, wie z.B. Aufmerksamkeit (z.B. Werbung auf der Bandhomepage für eineN 3.).

KünstlerInnen versuchen am liebsten dem marktwirtschaflichen Denken in den künstlerischen Aktivitäten keinen Platz zu geben. Leider ist dies pure Romantik und tendenzielle Verklärung der Verhältnisse in denen man lebt, bei vielen geht dies jedoch schon soweit das der Status Quo des eigenen Handels nicht mehr als ‚markwirtschaftlich‘ erlebt wird. Wenn man jetzt umdenken muß, da die alten Strategien nicht mehr aufgehen, muß man sich den marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten offen stellen und kommt in den Konflikt doch Teil des Systems zu sein.

Künstlerische Freiheit Vs. (subkulturelle) Identität
Teil der Maschine zu sein war immer schon für politische linke KünstlerInnen ein Problem. Gerade ‚politische‘ Bands verkörpern oft ein romantisches Bild von (sub) Kultur und Identität, ein Konstrukt, was von der Band für die Fans bedient werden soll um diese Schein-Erlebniswelt “ausserhalb des Systems” für die Fans aufrecht zu erhalten.

Kritik und Ablehnung bekamen die TonSteine Scherben, als sie anfingen nach Eintrittsgeldern zu verlangen obwohl sie finanziell dadrauf angewiesen waren und jedeR unkomerzielle KonzertveranstalterIn von Punk-Konzerten, kennt den lästigen Vorwurf von “Kommerz” wegen den angeblich zu hohen Eintrittspreisen.

an ear for music

Punk ’s not Dead – but it stopped progressing
Entäuschend ist festzustellen das Bands der D.I.Y. (do – it – yourself) -Punk Szene noch nicht alle selbsverständlich ihre Musik zum freien download anbieten. Zentrales Verständnis dieser Sze

ne ist (war?) ‚alles selber machen‘ zu wollen, also möglichst wenige ZwischenverdienerInnen in ihrer Geschäftswelt zu haben. Konsens war eine Platte zum Selbstkostenpreis anzubieten und von einigen Bands wurden sogar “Zahle nicht mehr als xy Euro(Mark) für diese Platte” mit auf das Cover gedruckt, damit WiederverkäuferInnen direkt von den KäuferInnen kontrolliert werden konnten.
Eigentlich wäre es nach dieser Idee selbsverständlich seine Songs ‚für alle Welt‘ umsonst in Netz zu stellen, jedoch überwiegt bisher die unbestätigte Angst des materiellen Wertverlustes, des speziell in dieser Szene so beliebten Fetischs Schallplatte und auch der CD.

Perspektiven
Es gibt nicht das eine Konzept und auch sind bisher die Erfahrungswerte relativ wenige um grundsätzliche Erfolgsstrategien für MusikerInnen aufzustellen, wichtig natürlich bleibt weiterhin die Nachfrage für die jeweilige Musik, der Produktion, des Images, der Bühnenpräsenz, Show etc.

Es wäre falsch zu behaupten das es zukünftig für MusikerInnen Geld regnen wird, im Bezug zur LeserInnenschaft möchte ich aber nochmal deutlich machen für MusikerInnen, die ökonomische Selbswerwaltung anstreben, das durch die direkten Vertriebs und Kommunikationskanäle auf diesem Gebiet mehr möglich geworden ist.